Immer wenn wir uns schlecht fühlen, wir uns in emotional negativen Zuständen befinden oder auch nur den Bus verpasst haben, möchten wir am liebsten jemand anderem die Schuld dafür geben. Irgendjemand soll die Verantwortung dafür tragen, dass wir uns schlecht fühlen. Wer das ist, spielt dabei keine große Rolle. Der Partner oder die Partnerin, die Familie, die Firma oder der Staat – egal. Hauptsache, die Schuld daran trägt jemand anderes. Und nicht wir. Denn wir leiden ja jetzt schon unter unserem Zustand. Wie schlimm wäre es, auch noch selbst dafür (und für alle negativen Zustände der letzten Jahre) verantwortlich zu sein?
Doch die Verantwortung für uns und unser Leben zu übernehmen, ist der einzige Weg hinaus aus dem Drama. Erst wenn wir aufhören, uns als Opfer zu fühlen und zu verhalten, haben wir eine dauerhafte Chance, dem Drama zu entkommen oder es wesentlich zu verkürzen. Denn, wenn wir die Verantwortung für uns übernehmen, haben wir auch die Macht, unser Leben zu ändern. Solange ich in der Opferrolle gefangen bin, kann ich gar nichts machen, außer zu leiden. Solange ich die Verantwortung jemand anderem zuschiebe und ihn damit zum Täter mache, kann ich nichts ändern. Denn ich bin ja das Opfer. Und Opfer haben keine Macht, sie sind abhängig von „ihrem“ Täter oder warten darauf, dass jemand kommt und sie von ihrem Elend erlöst. Dann sind sie abhängig vom Erscheinen oder Nichterscheinen eines Retters. So oder so bleiben sie ein Opfer.
Das Gleiche passiert, wenn ich in einem Konflikt bin und der andere in die Opferrolle geht. Das macht mich automatisch zum Täter. Egal, was ich getan oder nicht getan habe, die Schuld liegt jetzt erstmal bei mir. Wenn ich nun versuche, die Schuld dem anderen wieder zuzuschieben, bin ich in der Opferrolle und mache den anderen damit zum Täter. Und so nimmt das Drama seinen Lauf …
Doch warum ist das so? Warum gehen wir in diese Rollen und handeln danach? Die Ursache Nummer eins ist, dass wir fast ausschließlich aus unserem konditionierten Verstand heraus handeln und vergessen, dass allein unser Herz einen Konflikt wirklich lösen kann. Unser Verstand kennt ja nur Rollen und Muster, die uns seit frühester Kindheit vorgelebt werden und somit ungefragt übernommen wurden. Unser Verstand kennt nur zwei Arten, mit Menschen umzugehen: Entweder er fragt sich, was kann der andere für mich tun, also wie kann ich ihn für meine Zwecke benutzen? Oder, was kann der andere mir wegnehmen, also wie kann er mich verletzen? Somit erschafft der Verstand die beiden Rollen des Opfers und des Täters.
Begegnen wir einem Menschen mit dem Herzen, so sehen wir in ihm nicht nur ein Ding, das wir benutzten können oder vor dem wir Angst haben. Wir sehen den Menschen als göttliches Wesen in all seinen Facetten. Wir sehen durch seine Muster hindurch und erkennen seinen göttlichen Kern. Nun kann der andere immer noch versuchen, uns zum Täter oder Opfer zu machen. Doch wenn wir im Herzen bleiben, wird dieser Versuch nicht von Erfolg gekrönt sein. Wer im Herzen ist, kann nicht Opfer sein. Wer im Herzen ist, kann nicht Täter sein.
So ist der Weg aus dem Drama, egal ob wir schon mittendrin sind oder es sich gerade vor uns auftut, immer der gleiche. Erst öffnen wir unser Herz für uns selbst und unseren Schmerz. Wir umarmen uns und unseren Schmerz mit unserer ganzen Liebe. Wir übernehmen damit die Verantwortung für unser Handeln und unseren Schmerz und vergeben uns all unsere Handlungen. So werden wir rein und kommen zum Frieden mit uns selbst.
Dann können wir uns auch dem anderen zuwenden und ihn und seinen Schmerz umarmen, ihm helfen, sich selbst und seinen Schmerz zu lieben.